Ergofahren in allen Variationen

Es wird früh dunkel, es ist teilweise so kalt, dass Eis auf der Elbe schwimmt und das Boot liegt in Portugal auf der faulen Haut… was also macht die Ruderin? Genau, sie setzt sich aufs Ergometer, so ein- bis zweimal am Tag und stellt erstaunt fest, dass sie davon sogar schneller wird. Das stellt sie dann in einem mannigfaltigen Testprogramm unter Beweis:

Los ging's mit der deutschen Indoor Rowing Serie, genauer gesagt mit den Norddeutschen Meisterschaften im Ergometerrudern in Lübeck. Das ist der so ziemlich der einzige Wettkampf, den wir regelmäßig mitten im Winter fahren. Und da er regelmäßig 2 oder 3 Wochen nach Weihnachten stattfindet, sind auch regelmäßig die Ergebnisse nicht sonderlich berauschend. Bisher war ich in Lübeck immer ein paar Sekunden langsamer als in Dortmund… aber das sollte sich dieses Jahr ändern: Das Programm seit Weihnachten hatte wie gesagt zur Hauptsache aus Ergofahren bestanden - Manchmal bin ich zur Abwechslung auch Ergo gefahren, oder ich saß auf dem Ergometer (okay, ein bisschen schwimmen und Fahrradfahren war ich auch, mal ganz abgesehen vom obligatorischen Krafttraining.) - Deshalb wusste ich ziemlich genau, wie fit ich auf meinem Hassgerät bin und hatte mir vorgenommen, endlich die 7:16 zu knacken. Mit meiner 7:15,3 war das Ziel erreicht und zudem katapultierte mich das Ergebnis auch gleich erstmal auf Platz 2 der Gesamtwertung der Indoor Rowing Serie - 10 Sekunden hinter Marie, die ebenfalls in Lübeck am Start war, aber immerhin. Lange wird's wohl trotzdem nicht vorhalten, denn zwei Termine der Serie stehen noch aus.

Der nächste Test kam dann aus der Diagnostikecke: und zwar hat der Deutsche Ruderverband bei der Auswertung der Rennergebnisse festgestellt, dass wir auf den dritten 500m im internationalen Vergleich immer ziemlich langsam sind. Mittels des neu entwickelten eine-Minute-Tests sollte nun ermittelt werden, wie schnell und bei welcher maximalen Leistung die einzelnen Athleten Laktat aufbauen. Die Idee dahinter ist - soweit ich das verstanden habe - rauszufinden, ob wir alle am Start so viel Gas geben, dass wir ab der Streckenhälfte so blau sind, dass wir nicht mehr schnell Rudern können.

Der Testaufbau sieht vor, dass man eine Minute lang maximal schnell fährt. Dabei wird die Leistung gemessen und anschließend wird Laktat gezapft. Die meisten Sportler haben eine Leistungskurve vorgelegt, die am Anfang sehr steil abfiel und bauten richtig ordentlich Laktat auf. Der Kommentar des Sportwissenschaftlers zu meiner Kurve: "Sowas kann auch nur eine Judith fahren." - Meine Kurve war eine ganz sanft abfallende Gerade, Laktat lag ungefähr bei 7mmol/l… hätte auch noch ne Minute so weiterfahren können. NEIN, schneller losfahren hätte ich nicht können. Maximal- und Schnellkraft? Nie gehört? Was ist das? Brauch ich das…?

Ein paar Tage später ging's dann auf nach Berlin, zur Fortsetzung der Testorgie mit dem altbekannten Stufentest, und der funktioniert so: Man rudert jeweils vier Minuten bei einer vorgegebenen Leistung, anschließend werden Herzfrequenz und Laktat gemessen (Laktat ist das Abbauprodukt des anaeroben Muskelstoffwechsels. Seine Konzentration im Blut gibt an, wie die Energie im Muskel bei der entsprechenden Leistung bereitgestellt wird.) Interessant für den Sportler sind hier die Bereiche vor der 2- und 4mmol-Laktatschwelle - diese geben bestimmte Trainingsintensitäten an.

Der Test war zwar aufgrund meiner durch das viele Ergofahren ziemlich verspannten Beine ziemlich anstrengend, lief aber im Großen und Ganzen echt gut - Ich musste sogar noch eine halbe Stufe mehr fahren als sonst, weil die Trainer sonst Bedenken hatten, dass ich nicht über die 4mmol Laktat komme.

Am darauf folgenden Morgen war dann der 6000m-Ergotest dran. Diesen fuhren wir zur Abwechslung mal nicht auf fest stehenden Ergometern, sondern auf so genannten "Slides". Diese Schlitten, die man sich unters Ergometer stellt, sorgen dafür, dass sich das Ergo während des Ruderschlages unter dem Sportler durch bewegt. Das fühlt sich ein bisschen mehr an wie Rudern im Boot und ist am Anfang koordinativ ziemlich anspruchsvoll, sorgt aber später dafür, dass man an den Umkehrpunkten viel weniger Kraftaufwand hat, weil man ja erstmal nur das Ergo anstelle der eigenen Körpermasse bewegen muss.

Einen 6000m-Test bin ich das letzte Mal vor über 5 Jahren gefahren, dementsprechend hatte ich erstmal keinen Plan, wie schnell ich da mal fahren könnte - Markus hat mir dann eine Schnittzeit von 1:54/ 500m empfohlen, also etwa 5 Sekunden langsamer, als ich auf 2000m fahre.

Wir sind mit 5 Ergos nebeneinander gefahren. Da wir aber nur 2 Assistentinnen für die Laktatmessung hatten, starteten wir in Zweiergrüppchen mit 4 Minuten Zeitversatz. Ich hatte das große Los gezogen, als Letzte und alleine starten zu müssen, konnte mich mental also schon mal darauf einstellen, die letzten 1000m alleine zu fahren.

Die ersten 2000m versuchte ich dann auch, den Wert zu fahren, den Markus mir empfohlen hatte - das ging zwar, fühlte sich aber irgendwie viel zu anstrengend an… also doch lieber eine Sekunde langsamer im Mittelteil.

Auf dem letzten Streckendrittel kamen dann Jule und Annekathrin aus dem Ergoraum angelaufen und fingen an, uns tatkräftig anzufeuern - "Los, Judith, bring die Arme!" - "Nicht unter 30 mit der Frequenz!" - "So, und jetzt bleibst du auf der 1:48!" Und ich denk' nur so: "sag mal, spinnt ihr? Das fahr' ich doch noch nicht mal auf 2000m…" und fahr es trotzdem. Am Ende hielt die Uhr nach 22:33,3min (echt, so lange saß ich auf dem Ergo??) bei einem Schnittwert von 1:53,3 an. Geschafft! Und was für ne gute Zeit! Aber ohne die Anfeuerungsrufe hätte ich das wohl nicht geschafft… Danke, Mädels. Auch die anderen drei Leichtgewichte sind ganz zufrieden mit ihren Werten. Nach einer lockeren Runde auf dem Spinningrad verabschiedeten wir uns und brachen wieder in alle Himmelsrichtungen auf - aber nicht für lange. In nicht mal zwei Wochen geht's wieder nach Portugal - dann auch endlich wieder mit "nassem" Rudern.

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