Judith trainiert... alles, nur nicht rudern


Ich und mein Leih-Bicicleta
A wie Athletiklager:
Ein Trainingslager in dem sehr viel Sport gemacht wird, aber eben nicht rudern. Geht extrem gut im Ferienclub auf Lanzarote, weil man da alle möglichen lustigen Sportkurse buchen kann.

B wie Bicicleta:
Das quitschgrüne Leihexemplar muss jeden Vormittag stundenlang geritten werden.

C wie Canarios:
Der spanische Begriff steht nicht nur für die auf den Inseln beheimateten bunten Vögel, sondern auch für die menschlichen Bewohner der Inseln. Menschlich ist hier durchaus in beiderlei Hinsicht gemeint - ein sehr nettes Völkchen. Da ist zum Beispiel der Kellner, der mir morgens ungefragt noch einen doppelten Espresso bringt, weil ich wohl noch ziemlich langsam aus der Wäsche gucke und das Zimmermädchen, dass mich mittags wieder ins Bett schickt, nachdem sie mich wachgeklingelt hat und dann ganz leise die Handtücher im Badezimmer wechselt.

D wie dreiundzwanzig Grad im Schatten
Die fühlen sich dann doch sehr viel wärmer an, wenn es einfach gar keinen Schatten gibt. Die Langarmshirts hätte ich wirklich zu Hause lassen können.

E wie eigenes Tempo
Das einzige Tempo in dem man Berge hochfahren kann.

F wie Fußball:
Auch ein Sport, den man hier machen kann. Passt prima zwischen Kraftgymnastik und Zumba und kann vom ganzen Team zusammen gespielt werden. (Wenn man Judith heißt auch ganz gern mal mit dem Arm….)

G wie grün
Selten zu entdecken in der Lavawüste

H wie Hunger
Ich glaube, so viel wie hier habe ich noch nie gegessen, ohne dabei zuzunehmen.

I wie "ich fahr schon mal vor, ihr holt mich ja eh ein"
Führt aus meinem Munde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit NICHT dazu, dass ich eingeholt werde - ganz einfach deshalb, weil ich schon davor irgendwo falsch abbiege. Ohne Orientierungssinn sieht man eben viel mehr von der Welt!

J wie Julia:
An die geht ein riesenfettes Dankeschön für ihren Einsatz bei unserer ersten langen Radeinheit. Da ist mir irgendwann Konzentration und Puste ausgegangen. Sie hat sich dann mit mir zusammen hinter die Gruppe zurückfallen lassen, ihre letzte Banane mit mir geteilt und das nächste Teilstück mit mir in meinem Tempo gemeistert.
Stellvertretend gilt das auch für alle anderen, die mich motivieren, weiterzufahren wenn ich mal aus der Puste komme, oder in deren Windschatten ich auch die übelsten Streckenabschnitte irgendwie gemeistert bekomme.

K wie Kreisverkehr
Wenn es die Dinger nur mal bei uns in Deutschland geben würde wäre ich bestimmt morgens viel schneller bei der Arbeit! Ampeln gibt's hier jedenfalls nur, um Leute zu bremsen, die mit über 50 Sachen durch Ortschaften brettern wollen (macht man ja auch nicht… außer es geht gerade bergab…)
L wie Lanzarote

M wie Mondlandschaft:
Treffendste Beschreibung, die mir für die vulkanische Wüste im Inselinneren einfällt. Kann sehr beeindrucken, wirkt aber nach spätestes 30 Kilometern auch gerne mal ziemlich eintönig und trostlos.

N wie Nachmittag, freier
Was in Ratzeburg normalerweise auf schlafen, gammeln oder nach Hamburg flüchten hinausläuft, wird hier mit Surfen, Body Pump und Stand-Up Paddling gefüllt. Wahnsinn, 23 Sportler machen FREIWILLIG mehr als auf dem Trainingsplan steht.

O wie "ooops, ich trage ja noch meinen Helm!"
Kann beim Mini-Triathlon schon mal passieren, wenn man es schnell vom Rad auf die Laufstrecke schaffen möchte. Jedenfalls rocken wir Ruderer die Veranstaltung: Lars, Julius und Marcel belegen die Medaillenränge bei den Männern und Marie, Julia und Fini belegen die Podestplätze bei den Frauen
Beim Mini-Trithlon


P wie Po:
Tut höllisch weh. Genauso wie der Rest des Körpers.

Q wie Qi Gong
Auch mal eine Erfahrung wert.

R wie Regen
Führt das einzige mal, als er in den 2 Wochen fällt, für kurze nächtliche Irritationen des Sportlers, der seine Matratze auf den Balkon gelegt hat.

S wie Siesta:
Leider viel zu oft vom Baulärm gestört

T wie Trainingsprotokoll
Platzt bei ungefähr 5h Sport am Tag aus allen Nähten. Auch weil man beim Eintragen von Qi Gong, Zumba und Paddeln schon mal kreativ werden muss.

U wie Urlaubsfeeling
Kommt tatsächlich trotz des straffen Sportprogramms auf. Ich habe ja so gar keine Lust, ins 9 Grad kalte, regnerische Hamburg zurückzukommen…
V wie Vino
Wird auf der Geria auf sehr spezielle Weise angebaut: Die Landschaft ist dort dick mit unfruchtbarer Vulkanasche bedeckt. In diese wurden tiefe Löchern gegraben, und in deren Mitte in den fruchtbaren Boden jeweils eine Weinrebe eingepflanzt. Die Vulkanasche dient nun als Verdunstungsschutz, eine zusätzliche Mauer um jedes Loch als Windfang.

W wie Wind
Passat, um genau zu sein. Führt - insbesondere in Kombination mit "bergauf" dazu, dass man sich fragt ob's nicht schneller gehen würde wenn man absteigt und schiebt und trägt kein bisschen zur Abkühlung bei.

X wie X-Fit
Was für Normalos anstrengendes Krafttraining darstellen soll war für Marie "ganz nett zum Aufwärmen vor dem Entspannungskurs."

Y wie Yoga
Sehr entspannendes Ganzkörpertraining. Fast so schön wie aerial Pilates.

Z wie Zumba:
Haben wir tatsächlich auch mal ausprobiert. Und ja: "Judith versucht, Zumba zu tanzen" sieht noch komischer aus, als man sich "Judith versucht, Zumba zu tanzen" vorstellt. Ich bin einfach eine Koordinative Null. Deshalb mach ich ja sonst auch den Sport, bei dem man nur eine Bewegung ganz oft machen muss. Liegt mir besser. Allerdings bin ich wohl lernfähig - die zweite Einheit ging schon besser…


Zeitmanagement für Antihelden

"Ach, du wohnst auch noch hier?"

Johannes' Spruch, als ich zwei Tage nach meiner Rückkehr aus Frankreich zu ihm ins Bett gekrochen komme ist zwar nur im Scherz gemeint, trifft aber genau ins Schwarze.

Ein paar Tage vor der WM habe ich erfahren, dass eigentlich von mir erwartet wird, dass ich Anfang Oktober für 2 Wochen ins Trainingslager nach Lanzarote fahre.
Ich schnappe mir einen Kalender und streiche mit einem Textmarker alle Tage an, wo Trainingslager geplant sind, wo ich die Olympia-Vorbereitung vermute und wo internationale Wettkämpfe stattfinden.

Insgesamt sind das - ohne Wochenenden und Feiertage - 94 Tage von jetzt bis Mitte August.

Ich bin eine normale Arbeitnehmerin mit 30h-Vertrag und 30 Tagen Tarifurlaub im Jahr. Davon sind noch genau 5 übrig.

Nach einigem Herumüberlegen fällt mir als einzig sinnvolle Lösungsmöglichkeit ein, über den Winter ein viermonatiges Sabbatical einzulegen.

Mein Bereichstrainer ist zwar nicht glücklich, was besseres fällt ihm aber auch nicht ein.

Mein Chef reagiert gelassen. "Also wenn du nach Lanzarote musst, dann geh doch. Hast ja noch ein paar Tage Urlaub und ein paar Gleitzeitstunden. Ich frag' gleich mal, wie man so ein Sabbatical beantragt."

Ein paar Tage später sind die Flüge gebucht, das Sabbatical ist beantragt und ich bin ein einziges Häufchen Elend.

Ich habe mir gut überlegt, wie es gehen kann und versucht, die beste Möglichkeit zu finden. Dafür habe ich mich entschieden. Und trotzdem macht mir das, was da auf mich zukommt Angst.

Ich werde vier Monate lang nicht zur Arbeit gehen (obwohl es mehr als genug zu tun gäbe).

Was mache ich dann eigentlich die ganze Zeit? Meinem Gehirn beim schrumpfen zuschauen?

Ich werde 16 Monate lang von drei Vierteln meines Gehaltes leben. (Hier mache ich wirklich aus Mücken Elefanten, ich weiß.)

Trotzdem werde ich, wenn ich direkt nach dem Ende der Ruderwettkämpfe aus Rio abreise, einen Stand von minus vierzig Stunden auf dem Gleitzeitkonto haben - Wenn ich denn überhaupt da hinfahre. Denn das kann mir niemand garantieren, egal wie aberwitzig der Aufwand auch sein mag, den ich da reinstecke.
Und letztlich zielt all mein Zeitmanagement doch nur darauf ab, zur Verfügung zu stehen, wenn das von mir erwartet wird. Da bin ich nun wieder, die Vertreterin der Generation Y, die niemanden enttäuschen kann.
"Niemand, der sein Bestes gegeben hat, hat es später bereut." Manchmal sind Weisheiten, die man im Internet findet auch die letzten Grashalme, an die man sich klammert.

Was für ein Glück, dass ich Gerhard und Svenja und Johannes um mich habe, die mir zum einen meine eigenen Argumente für meine richtige, vernünftige Entscheidung vortragen und mir zum anderen nach Kräften meine Gleitzeit schönrechnen. So geht es auf der Achterbahnfahrt meiner Gefühle auch mal zeitweise bergauf.

Ich bin gefühlt gerade zu Hause angekommen. Gerade ist der fremde Mann neben mir im Bett wieder mein geliebter Partner geworden. Gerade habe ich einen riesigen Stapel Versuchsmaterial von meinem Schreibtisch geräumt und mich daran erinnert, für welche Themen ich zuständig bin.

Ich habe angefangen, zu arbeiten, zu kochen, zu putzen, war mit meinem Freund einkaufen. Ich hatte knapp drei Wochen Normalität, die auch erst in den letzten paar Tagen anfing, sich wie Normalität, wie mein Leben anzufühlen.

Im Wohnzimmer sind es morgens 16 Grad, aber ich habe den Klempner noch nicht erreicht, damit der mal vorbeikommt und die Heizung wartet. Das neue Regal ist aufgebaut und liegt mitten im Wohnzimmer, weil ich noch nicht dazu gekommen bin, passende Löcher in die Wand zu bohren. In der Strukturmontage gibt es seit Wochen Probleme mit einem von mir betreuten Fertigungshilfsmittel.

Und ich fliege nach Lanzarote.

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