Luzern


Während meinen ersten Rudereinheiten auf dem Rotsee konnte ich einfach nicht verstehen, warum ausgerechnet dieser See von so vielen Ruderern als "Göttersee" bezeichnet wird. Durch all die Boote war das Wasser so aufgewühlt, dass man überhaupt keinen gleichmäßigen Druck ans Blatt bekam, ungefähr so wie wenn man hinter einem Binnenschiff herfährt.
Training am Rotsee/ Training on the Rotsee (Seyb/rudern.de)

In letzter Zeit war ich sowieso permanent hinter meinen eigenen Erwartungen geblieben - wir haben viel an der Spurtkraft gearbeitet, darunter hat aber letztlich der Streckenschlag etwas gelitten, so dass er sich einfach nicht mehr so rund und leichtgängig anfühlt wie noch in Varese. Dass mein Gewicht sich nicht so recht unter Kontrolle bringen lassen wollten und ich auf der Arbeit zwei verspätete Projekte wieder in die Spur bringen muss machte die Sache dann für den Kopf natürlich auch nicht wirklich einfacher.


Alles in allem also nicht gerade die idealen Startvoraussetzungen für einen Weltcup... Außerdem war auch noch passiert, mit was wir schon fast gerechnet hatten: 3 Boote (ITA2, RUS, AUT) hatten abgemeldet, so dass der komplette Rennmodus nochmal über den Haufen geschmissen wurde und vom gnädigen "3 gewinnt" - Modus auf einen gewechselt wurde, wo man entweder den ersten Platz im Vorlauf oder den zweiten Platz im Hoffnungslauf belegen muss, um ins Finale A zu fahren.
Den Vorlauf gewinnen war schonmal nicht drin, denn ich hatte gleich Imogen Walsh vor der Nase... Also, was tun? Außer mir, Italien, Südafrika, Lettland und eben Großbritannien war auch noch die Dänin im selben Lauf. Die war zwar bisher im Ziel immer hinter mir, kommt am Start aber deutlich besser weg. Ich würde also ein volles Rennen fahren müssen um Zweite zu werden, was letztlich auch nur einen möglicherweise einfacheren Hoffnungslauf bedeutet hätte. Ich entschied mich also, die Dänin fahren zu lassen und tuckerte gemütlich als Dritte über die Ziellinie. Dafür hat die Dänin ordentlich daran gearbeitet, Imogen zu ärgern... Trotzdem ist so ein Lauf für mich doch immer recht unbefriedigend - mit Absicht langsamer rudern als man könnte fühlt sich einfach komisch an. Aber ich würde meine Kraft wohl noch brauchen, denn Hoffnungslauf und Finale starteten am selben Tag.

Immerhin konnte ich abends dann doch noch das glatte Wasser, für das der See berühmt ist für mich endecken. Doch obwohl mein Trainingsschlag schon wieder auf dem aufsteigenden Ast war, wollten mir die schnellen Schläge noch nicht so ganz glücken - mir fehlte einfach ein bisschen die Geduld, erstmal in der Auslage anzukommen. Stattdessen machte ich mir mit einer unnötig harten Setzbewegung selbst das Leben schwer.
Nachdem ich zum x-ten Male versucht hatte, meinem Trainer mein Problem zu schildern kam er dann doch mit einer erstaunlich einfachen und wirkungsvollen Idee um die Ecke: einfach die Ellbogen entspannt nach unten hängen lassen.
Das hat sich im Hoffnungslauf dann tatsächlich auch gleich bewährt, und ich kam einige Sekunden vor Jackie Kiddle (NZL2) als Erste im Ziel an - leider aber auch ziemlich kaputt.

Zum Nachmittag hin hatte der Wind dann aufgefrischt. Die globale Windrichtung kam zwar seitlich zu Rotsee, aber weil der in einem tiefen Tal liegt wird der Wind immer irgendwie in Streckenrichtung umgelenkt. Dummerweise kann das aber auch bedeuten, dass ein minimaler Dreh in der globalen Windrichtung die Windrichtung auf dem See komplett umdreht - und genau das passierte zwei Minuten vor dem Start meines Finals.
Der Wind war ziemlich kräftig gewesen und hatte den ganzen Tag lang schon vom Ziel in Richtung Start geweht. Weil ich noch ziemlich geschafft vom Vorlauf war habe ich mich dann dazu entschieden, die Skulls nochmal ein Stückchen kürzer, also "weicher" einzustellen.

Eigentlich hatten wir geplant, dass ich mich am Start vor Jackie Kiddle lege (da ist die nämlich normalerweise noch langsamer als ich), und mich dann von ihr an Runge Holmegaard "vorbeischieben" lasse.
Als ich nach 500 metern mit Jackie gleichauf lag und Zoe, Imogen und Runge völlig außer Reichweite vor uns herdampften, wusste ich im Grunde genommen schon, dass das wohl heute nichts wird. Allerdings hatte ich keinen blassen Schimmer, weshalb. Fühlte sich nur ziemlich komisch an, wie ich so ruderte... Es hat tatsächlich bis zur 1250m-marke gedauert, bis ich begriffen hatte, dass ich KEINEN Gegenwind habe. Aber bis dahin war ich leider auch schon auf Rang 5 zurückgefallen und konnte ruderisch auch nichts mehr retten.
Dieses Bild ist aus dem Hoffnungslauf - aber genau so war das Gefühl nach dem Finale/ This picture was taken after the repecheage - but it illustrates quite well how I felt after the final... (Seyb/ rudern.de)

So hatte ich mir das nicht vorgestellt... Immerhin waren sich alle Trainer (inklusive Cheftrainer ziemlich schnell einig, dass das ein verzeihlicher Ausrutscher in einer sonst recht konstanten Saisonleistung ist, so dass ich jetzt auch offiziell im Einer für die WM nominiert bin.

Am Sonntag hätte ich mich ja sooo gerne durch das reichhaltige Hotel-Frühstücksbuffett gefuttert, aber dummerweise bin ich ja auch noch Ersatzfrau für den Zweier... so bin ich also morgens tatsächlich noch eine runde auf dem "göttlichen" Luzerner Wasser gefahren, war dann aber doch sehr froh, dass Marie und Fini ihr Rennen selber fahren konnten - ich war nämlich doch noch ordentlich platt von meinem eigenen...

Final in Lucerne


(Seyb/ rudern.de)

For the afternoon, the wind had become stronger. The overall wind direction was from the side of the lake, but however the mountains at the side of the lake always turn it either into tail- or headwind - and this was exactly what happened two minutes before the start of my final. The wind had been quite strong all day long, so we had decided to shorten my skulls a bit...


My plan had been to overtake Jackie Kiddle right at the start and to use her as a pace control for the rest of the race. However, when she was still beside me at the 500m marking, I knew that today was not my race, but it took me until half the course to notice that the wind had turned. But by then, I was already on place five, and Zoe, Imogen and Runge were completely out of reach. I struggled down the course without finding any suitable rhythm.

Fortunately, the trainers pardoned me and since Saturday evening I'm officially nominated for the world rowing championships.

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