Saisonstart für die leichten Frauen

Diesen Bericht habe ich für unsere Vereinszeitung geschrieben. Hier ist er als Vorabversion und für alle, die die Zeitung nicht bekommen:

Topfit und voller Tatendrang waren wir aus dem Trainingslager zurück und wollten anfang April beweisen, dass wir jetzt auch schnell rudern können. In Leipzig angekommen begannen wir jedoch daran zu zweifeln, dass wir uns richtig vorbereitet hatten. Judith musste nämlich statt auf die Waage erstmal zum Fotoshooting. Geradeaus gucken und lächeln war die Ansage. Erst im Einteiler (Größe S), dann im Poloshirt (Größe M) und schließlich in der Trainingsjacke (Größe L). Sollte etwa die gewinnen, die das strahlendste Lächeln zeigte? Oder diejenige, der die Jacke am besten passte?
Zu unserer großen Erleichterung durften wir einige Zeit später dann doch auf die Waage (obwohl Irene gar nicht fotografiert worden war) und dort galt wieder das altbekannte Kriterium: 59kg oder weniger. Das haben wir beide geschafft und schwangen uns anschließend zum 2000m-Test auf die Ergometer, wo wir beide unseren persönlichen Bestwert knackten. Auch wenn das bei uns beiden vergeichsweise keine Spitzenleistungen sind, konnten wir doch mit uns zufrieden sein.

Weil Ergometer aber bekanntlich nicht schwimmen, mussten wir am nächsten Tag auch nochmal in die Einer steigen. 6000m - und das so schnell wie möglich. Für Judith noch eine recht ungewohnte Aufgabe nach viel Techniktraining, die auch eine bisher nie da gewesene Schwierigkeit mit sich brachte: die gelegentlich von ihrem Trainer auch als "Rotationsellipsoid" bezeichnete Sportlerin kam einfach nicht auf Frequenz und tuckerte die Strecke entsprechend mit einer gemütlichen, dafür aber technisch einwandfreien, Schlagzahl 30 hinunter. Na, ob das wohl schnell war?
Irene steigerte sich im Vergleich zu Langstrecke Dortmund und konnte vier Gegnerinnen hinter sich lassen.
Wir hatten unsere Boote schon fast fertig aufgeladen, als Markus uns anrief. "Judith sollte mal vorkommen zur Siegerehrung." Und so konnte eine völlig fassungslose Judith die Urkunde für den dritten Platz entgegennehmen.

Das Langstreckenergebnis zählt zwar nicht direkt für die WM-Qualifikation, zumindest kann eine gute Platzierung aber den Weg ein bisschen erleichtern, denn die Vorläufe der Kleinbootmeisterschaften werden nach dem Langstreckenergebnis gesetzt.
Für die Kleinbootmeisterschaften ende April in Köln waren 32 Boote gemeldet, von denen eine Stunde vor den Vorläufen noch exakt 26 antreten wollten. Der Rest war entweder zu fett fürs Ballett oder hatte aus anderen Gründen (Angst) abgemeldet. Am Qualifikationsmodus mit für die leichten Frauen eher ungewohnten Viertel- und Halbfinals änderte das jedoch nichts. Kurz gesagt lässt sich der Modus mit "3 gewinnt" zusammenfassen: wenn man in jedem Lauf mindestens dritte wird, landet man im Finale A (im Vorlauf reicht auch Platz vier.)


Quelle: www.rudern.de
Also ging es am Freitag abend los mit den Vorläufen. Für Judith, die aufgrund des guten Langstreckenergebnisses relativ langsame Gegenrinnen zugeteilt bekommen hatte im Grunde eine Pflichtübung, was sie aber nicht daran hindern sollte, wenigstens die schnellste Zeit von allen zu fahren. Irene kegelte gekonnt ihre Intimfeindin aus dem Rennen und qualifizierte sich somit für die Jagd auf die Plätze 1-24.


Bei sommerlichern Temperaturen war uns danach nach Wassereis zumute. Also los zu Aldi und flugs welches gekauft. Dabei stellten wir folgende Sachverhalte fest:

  1. Bei Aldi gibt es Wassereis mit Orangengeschmack nur im Sechserpack.
  2. Das Eis ist dafür aber so billig, dass es einem keine Schmerzen bereitet, die drei Tüten, die man selbst nicht isst, weiterzuverschenken.
  3. Orangen-Wassereis von Aldi ist das leckerste Eis der Welt. Zumindest, wenn man vorher 2000m gerudert ist.
  4. Wenn man versucht, übriges Wassereis zu verschenken, hat man deutlich bessere Chancen, wenn man eine 23-jährige Frau ist und circa 10-jährige Mädels auf Rollschuhen anspricht, als wenn man als erwachsener Mann versucht, das gleiche Eis drei etwa 15-jährigen anzudrehen. (Woran das wohl liegt?)
Am Samstag morgen hatte Judith dann auch gleich die Möglichkeit, eines ihrer lang gehegten Saisonziele anzugehen: einmal im direkten Vergleich schneller rudern als Wiebke Hein aus Potsdam. Das gelang erstaunlich mühelos, durch in Judith-typischer Manier langsames losfahren und einen gekonnt gesetzten Zwischenspurt; und schon wieder kam dabei - quasi als Nebenprodukt - die schnellste Zeit heraus.
Doch es ging auch noch schneller: Mit Marie-Louise Dräger und Lena Müller traf Judith im Halbfinale gleich auf zwei Mitglieder der Olympiamannschaft von 2012. Leicht überrascht davon, von Marie am Start nur noch Kondensstreifen zu sehen, kämpfte sie sich trotzdem noch vor Lena Müller auf Platz 2 vor und stand damit sicher im Finale A.

Irene hatte sich in ihren beiden Zwischenläufen haupsächlich der Optimierung ihrer Rudertechnik gewidmet (sie hat das Kondennsstreifenproblem mit ein paar mehr Leuten), und trat am Sonntag im Finale D um die Plätze 17-22 an (wer nachrechnet wird feststellen, dass weitere zwei Ruderinnen - diesmal krankheitsbedingt - abgemeldet hatten). Sie machte es spannend, überquerte die Ziellienie aber schließlich knapp eine Sekunde vor ihrer Würzburger Konkurrentin und erreichte somit Platz 21 im Gesamtklassement.
Quelle: Oliver Quickert/ www.rudern.de

Auch für Judith wurde es spannend: sie ließ sich im Finale nicht mehr so einfach von Marie-Loise Dräger überrumpeln und fuhr den größten Teil der Strecke Bord an Bord mit ihrer Konkurrentin um Platz 2 hinter einer einige Längen vorausrudernden Anja Noske. Erst im Endspurt musste sie ihre - physisch deutlich stärkere - Konkurrentin ziehen lassen und erreichte damit den Bronzerang. Damit ist die WM-Teilnahme so gut wie sicher - also merkt euch schonmal die letzte Augustwoche, Amsterdam und den Leichtgewichts-Frauendoppelvierer vor!
Quelle: Oliver Quickert/ www.rudern.de

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