Winter in Hamburg

Eine Hommage.

+10 Grad Celsius
Die Ruderer des RC Süderelbe gehen gut gelaunt trainieren. Die Hamburger sitzen im Straßencafé.

+5 Grad Celsius
Die Ruderer legen ab zur zweiten Einheit, bevor es dunkel wird.


+2 Grad Celsius
Auf dem Fahrrad empfehlen sich Handschuhe.


0 Grad Celsius
Destilliertes Wasser gefriert. Die Elbe nicht.


-1 Grad Celsius
Der Atem wird sichtbar. Zeit, im Kraftraum die Heizung anzuschalten. 


-4 Grad Celsius 

Es schneit. Ein missmutiges Leichtgewicht muss gezwungenermaßen die ganze Woche Bus fahren.

 -9 Grad Celsius
Eine Ecke des Steges ist noch unvereist. Der Trainer stellt es den Sportlern frei, ob sie rudern möchten.

-10 Grad Celsius
Man kann im Kraftraum seinen Atem sehen. Nach dem Duschen gefriert der Wasserdampf am Badezimmerfenster.
Die Sportlerinnen entscheiden sich, rudern zu gehen.


-11 Grad Celsius
Die Elbe knirscht, wenn man die Blätter schleifen lässt. Spritzer frieren an der Sportbekleidung fest. Die Elbe dampft. Man muss sich nur vorstellen, das wäre eine heiße Badewanne, dann geht's.
Der Motor des Katamarans lässt sich nach einigen Versuchen starten. 


-12 Grad Celsius
Das bedeutet aber nicht, dass man auch einen Gang einlegen kann. Die Sportlerinnen legen wieder an, und tragen ihr mit einer dünnen Eisschicht überzogenes Boot zurück in die Halle. Der Trainer flucht und hievt das Motorboot auf den Steg.


Einen Tag später:

 

Judith trainiert... ohne Sport zu machen

Die Ergebnisse der Leistungstests sind eindeutig: Ich bin zu schwach.

Deshalb hat Markus sich vom Sportwissenschaftler beraten lassen, und ist mit der folgenschweren Erkenntnis wiedergekommen, dass zwischen Kraft- und Ausdauertraining mindestens 6 Stunden Pause sein müssen, weil sonst das Krafttraining nichts bringt. Im Klartext bedeutet das: Ich darf an den Tagen an denen ich Krafttraining mache nicht mehr mit dem Rad zur Arbeit fahren.

Also ab in den Bus... wie mich das ankotzt! Nachmittags fahre ich von der Arbeit nach Hause, schnappe mir mein Fahrrad und radle die 10 Minuten rüber zum Club. Dort angekommen meint Markus erstmal, dass ich ihm aber versprechen muss dann ganz langsam wieder zurückzufahren. Soll ja kein Ausdauertraining werden.

Es gibt unterschiedlichste Möglichkeiten des Krafttrainings, die man je nach Wiederholungsanzahl in Kraftausdauer-, Hypertrophie-, Maximalkraftttraining und Intramuskuläre Koordination unterteilt. Es gilt die Faustregel: je weniger Wiederholungen, desto dicker wird der Muskel (und einen dicken Muskel kann man wiederum mit mehr Wiederholungen darauf trainieren, nicht sofort schlappzumachen.) Diesen Monat machen wir intramuskuläre Koordination. Das bedeutet 6 Runden mit jeweils einer bis 5 Wiederholungen. Gibt bestimmt dicke Muskeln. Ist aber nicht so richtig anstrengend. Man fängt weder an zu schwitzen, noch stelle ich eine wesentliche Erhöhung meines Pulses fest. Ich kann halt nur das Gewicht irgendwann nicht mehr anheben, das war's.

Nach nur etwa eineinhalb Srunden verlasse ich den Kraftraum wieder, mit dem Gefühl, dass ich jetzt so langsam mal anfangen könnte, Sport zu machen.

Aber nein, das wäre ja kontraproduktiv... also setze ich mich auf mein Fahrrad und bemühe mich ganz langsam nach Hause zu fahren. Eine echte Herausforderung, denn mein Fahrrad ist ein Singlespeed - man könnte sagen, es ist an sich seelenverwandt mit mir: zwischen "stehen" und "schnell" keine Zwischengröße erhältlich (unrund treten ist ja auch irgendwie uncool...) Ich hoffe, dass mich niemand sieht, der mich kennt, denn es sieht bestimmt fürchterlich unmotiviert aus, wie ich da so vor mich hinschleiche.

Eigentlich sollte ich so langsam mal ins Bett, aber die Müdigkeit will sich nicht so richtig einstellen.
Mal sehen, vielleicht habe ich morgen wenigstens Muskelkater...

Judith trainiert... mit Schwimmweste


Knapp ein Jahr ist es jetzt her, dass der 13-jährige Lorenz in der Alster ertrunken ist, an einem warmen Frühjahrsmorgen und unter Trainingsbedingungen, die bis dato jeder Hamburger Trainer für vertretbar gehalten hätte.

Nicht-Ruderer haben mich bisweilen schon gefragt, ob wir im Winter eigentlich Neoprenanzüge tragen und was passiert, wenn ich mal reinfalle. Die erste Frage ist leicht zu beantworten: Nein. Dadrin kann man sich nämlich einfach nicht ausreichend bewegen.
Die zweite Frage brachte mich mitunter in Erklärungsnot. Die Gefahrenprävention im winterlichen Rudersport hatte sich bis dahin meist auf "einfach nicht reinfallen" beschränkt. Das hatte bei mir glücklicherweise immer recht gut geklappt, aber eigentlich wusste ich selber, dass das eine ziemlich dumme Antwort ist. Schon meine Kindertrainerin hatte mir erklärt, dass bei Minusgraden die Koordinationsfähigkeit leidet. Das bedeutet also Reinfallen im Winter ist nicht nur gefährlicher als im Sommer, sondern auch wahrscheinlicher. Dazu kommt, dass man die Überlebenschancen eines ohne Schwimmhilfe im Wasser Treibenden bei Wassertemperaturen unterhalb von 10° im einstelligen Minutenbereich angibt.
Die nächste Frage war dann natürlich immer "Kannst du keine Schwimmweste anziehen?". Jein. Grundsätzlich werden bei Rettungswesten Feststoffwesten und aufblasbare Westen unterschieden. Die feste Variante ist vom zuständigen Senator inzwischen für alle Schülerruderer vorgeschrieben worden. Zweifelsohne hat diese Westenvariante den Vorteil, dass sie auf jeden Fall funktioniert, weil kein Mechanismus dran ist der Versagen kann. Gleichzeitig hat sie aber auch den erheblichen Nachteil dass man sich darin so gut wie gar nicht bewegen kann, was beim Rudern natürlich tierisch ungeschickt ist.  Die zweite Art von Schwimmweste ist die aufblasbare Weste, wie man sie z.B. aus dem Flugzeug kennt. Der erhebliche Vorteil gegenüber der Feststoffweste ist, dass die nicht aufgeblasene Schwimmweste wenig Platz braucht und relativ flexibel ist.
Wer beim Sicherheitsbalett aufmerksam zugehört hat weiß aber auch, dass die aufblasbare Weste hintenrum nur mit einem Band verschlossen wird, und sich fast der gesamte Auftriebskörper vor dem Bauch befindet. Beim Skullen, also dem rudern mit zwei Rudern, gehört es aber zur dazu, mit den Griffen ein Stück weit am Oberkörper vorbeizuziehen. Wenn man dann eine Weste trägt, die nach hinten offen ist, hat man enorm gute Chancen sich mit den Skullgriffen in der Weste einzuhaken.  Klar, dass kein Ruderer freiwillig eine Weste tragen möchte, die das Risiko zu kentern noch weiter erhöht.

Der Ruderbekleidungshersteller Newwave hatte zum Glück die rettende Idee, eine aufblasbare Weste in ein geschlossenes Kleidungsstück zu integrieren. Jetzt hat man eine relativ kompakte Form, wo man sich nirgends einhaken kann. Am Anfang war die Weste trotz allem etwas gewöhnungsbedürftig: der Kragen sitzt relativ hoch, und jedes mal wenn ich mich umdrehe kratzt mich das Ventil am Hals. Außerdem haben luftdichte Konstruktionen nunmal den Nachteil, dass sie nicht atmungsaktiv sind. Das spart Drunterziehklamotten  - mit einem Langarmshirt und der Schwimmweste drüber ist man bei 5° immer noch recht warm angezogen. Und wenn man mehr drunter hat? Dann hat man ein Problem, denn ausziehen kann man die Weste unterwegs im Boot nicht. Als wir die Dinger neu hatten sind wir mit halb ausgezogenen Westen und gesenktem Kopf minutenlang durch die Wohnung geirrt, bis uns rettende Arme die Westen über die Schultern gekrempelt hatten. Inzwischen haben wir rausgefunden, dass man die Weste auch alleine ausbekommt, wenn man sie bis über die Brust hochkrempelt, bevor man sie übern Kopf zieht. Ich hoffe trotzdem, dass ich sie nie im aufgeblasenen Zustand ausziehen muss!

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